
Die gebürtige Magdeburgerin Sarah Biedermann (24) tritt für die Freien Wähler zur Wahl für das Amt des/der Oberbürgermeister/-in an.
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Intel-City soll kommen und damit auch ein massiver Ausbau des ÖPNV in Magdeburg. Die Menschen müssen an ihre Arbeitsplätze schnell, unkompliziert und kostengünstig gelangen. In Verbindung mit neuen nationalen ICE- und Bahnverbindungen, S-Bahn-Strecken usw. müssen auch Straßenbahn- und Busverbindungen neu gedacht werden. Hier wird viel passieren und dies in relativ kurzer Zeit.
Sarah Biedermann
Frage 1: Benutzen Sie selbst regelmäßig die öffentlichen Verkehrsmittel? Wenn nicht: Was hält Sie (bisher) von der Mitfahrt ab?
Sarah Biedermann: Ich nutze die Öffentlichen sehr häufig und regelmäßig. Ansonsten bin ich auch oft zu Fuß unterwegs.
Frage 2: Wie sehen Sie das aktuelle Angebot im Städtischen Nahverkehr in Magdeburg? Was läuft gut und was nicht?
Sarah Biedermann: Magdeburg ist beim städtischen Nahverkehr relativ gut aufgestellt. Das Angebot funktioniert und wird angenommen. Positiv: Die Kundenkommunikation über Facebook finde ich sehr gelungen. Immer locker, aktuell und zeitnah. Natürlich gibt immer Verbesserungsbedarf in einem dynamischen System. An Hotspots wie Westring oder Südring beispielsweise dauern die Ampelphasen mitunter 2 – 3 Minuten für Fußgänger. Wenn die Bahn dann zu früh kommt, ist es nicht möglich, diese noch zu bekommen. Kleine Ursache – große Wirkung. Natürlich problematisch aktuell durch Corona: Verspätungen bzw. komplette Ausfälle. An dieser Stelle gute Besserung für alle Betroffenen!
Frage 3: Wie sollte der ÖPNV Ihrer Meinung nach in Zukunft in Magdeburg aussehen?
Sarah Biedermann: Der ÖPNV ist neben Fahrradfahren und Zufußgehen hinsichtlich CO2-Produktion und Flächenverbrauch das nachhaltigste Fortbewegungsmittel. Inwieweit eine nachhaltige und klimaschonende Mobilität innerhalb Magdeburgs möglich ist, hängt maßgeblich mit der Siedlungsstruktur sowie den vorhandenen Verknüpfungen mit dem ÖPNV zusammen. Die Corona
Pandemie hat den ÖPNV kräftig durcheinandergewirbelt. Es stellen sich neue Herausforderungen, die zugleich Chancen für die Zukunft darstellen: flexible, dem individuellen Bedarf angepasste Tickets, Kombination verschiedener Verkehrsmittel, Digitalisierung und eTarife mit Smartphone und Co. Die aktuelle FAIRTIQ-App ist dabei schon eine feine Sache.
Frage 4: Im Vergleich zu anderen Städten ist Magdeburg eine sehr autoorientierte Stadt. Sollten die Angebote des ÖPNV mehr ins Bewusstsein der Magdeburger rücken und wenn ja, wie?
Sarah Biedermann: Auf jeden Fall müssen Angebote besser die potenziellen Nutzer erreichen. Gerade jetzt in Zeiten steigender Energiekosten muss eine marketingunterstütze Fahrgastoffensive mit wirklich attraktiven Angeboten gegenüber dem Individualverkehr kommen. Der Vorteil muss praktisch für die Fahrgäste auf der Hand liegen (bleiben).
Intel-City soll kommen und damit auch ein massiver Ausbau des ÖPNV in Magdeburg.
Sarah Biedermann
Frage 5: In den letzten Jahren wurde in Magdeburg das Straßenbahnnetz erweitert. Welche weiteren Stadtteile sollten perspektivisch noch an den ÖPNV angebunden werden?
Sarah Biedermann: Intel-City soll kommen und damit auch ein massiver Ausbau des ÖPNV in Magdeburg. Die Menschen müssen an ihre Arbeitsplätze schnell, unkompliziert und kostengünstig gelangen. In Verbindung mit neuen nationalen ICE- und Bahnverbindungen, S-Bahn-Strecken usw. müssen auch Straßenbahn- und Busverbindungen neu gedacht werden. Hier wird viel passieren und dies in relativ kurzer Zeit. Über den berühmten Tellerrand muss man schauen: Ich könnte mir eine Ausweitung des Straßenbahnverkehrs über Intel-City bis zum Industriegebiet Osterweddingen vorstellen.
Frage 6: Die MVB hat in den Jahren bis 2019 massiv an Fahrgästen verloren. Was möchten Sie als zukünftige*r OB unternehmen, damit wieder mehr Fahrgäste den ÖPNV in Magdeburg nutzen? Welchen Modal Split streben Sie bis zum Ende der nächsten Amtszeit an?
Sarah Biedermann: Angebote funktionieren nur, wenn sie am Ende passen. Die Attraktivität der Öffentlichen setztsich aus verschiedenen Komponenten zusammen: Preis, Service, Leistung. Allein darüber wird der Fahrgast entscheiden. Und genau deswegen ist es notwendig, umfassend über die Präferenzen der Kunden informiert zu sein. Nur dann können Angebote auch zielgerecht entwickelt werden. Diesen Weg werde ich als zukünftige Oberbürgermeisterin forcieren und im Hinblick auf unsere gemeinsamen klimapolitischen Ziele weiter vorantreiben. Für mich wären beim Modal Split für Magdeburg 25 – 30% sehr ambitioniert … aber nur so kann es gehen.
Nur mit einer gut gefüllten Stadtkasse kann man auch vernünftig haushalten und auch investieren. Auf eine feste Anzahl an barrierefrei umgebauten Haltestellen pro Jahr, kann und werde ich mich aus daher nicht festlegen.
Sarah Biedermann
Frage 7: Seit dem 01.01.2022 ist gesetzlich vorgeschrieben, dass alle Haltestellen im ÖPNV vollständig barrierefrei sein müssen. Dennoch sind in Magdeburg derzeit mehr als die Hälfte der Haltestellen bei Bus und Bahn nicht barrierefrei. Was werden sie unternehmen, damit eine schnelle Barrierefreiheit im ÖPNV hergestellt wird? Wieviel Haltestellen sollten aus ihrer Sicht pro Jahr barrierefrei umgebaut werden?
Sarah Biedermann: Die aktuelle Quote bei der Barrierefreiheit ist nicht zufriedenstellend. Aktuell entwickeln sich sowohl Herstellungs- als auch Rohstoff- und Materialkosten nur in eine Richtung: nach oben. Des Weiteren sind ausführende Firmen immer mehr Mangelware. Vor diesem Hintergrund kann man gesetzlich zwar Vieles festlegen, jedoch praktisch nicht bzw. nur verzögert umsetzen. Selbst wenn ausreichend Geld zur Verfügung stehen würde, hätte man aktuell ein Realisierungsproblem. Auskömmliche Finanzen stehen nur bei einer positiven Einnahmesituation bereit. Daher gilt ganz klar: Wirtschaftsförderung und proaktive Ansiedlungspolitik werden die wichtigen Themen für Magdeburgs Zukunft sein. Nur mit einer gut gefüllten Stadtkasse kann man auch vernünftig haushalten und auch investieren. Auf eine feste Anzahl an barrierefrei umgebauten Haltestellen pro Jahr, kann und werde ich mich aus daher nicht festlegen.
Frage 8: In den letzten Jahren musste die MVB massive Angebotseinschränkungen vornehmen: die Linie 8 wurde nahezu eingestellt, die Linie 3 verkehrt nur noch im 20-Minuten-Takt und nicht am Wochenende, auf den Buslinien wurde der 10- Minuten-Takt abgeschafft. Wie möchten Sie sicherstellen, dass die MVB in Zukunft ausreichend finanziert wird? Welchen Betrag sollte die MVB als jährlichen Zuschuss von der Landeshauptstadt Magdeburg erhalten, um einen modernen und zukunftsfähigen ÖPNV anzubieten?
Sarah Biedermann: Ich verweise auf meine vorhergehende Antwort, denn ich kann in keine Glaskugel schauen. Einnahmen bestimmen die Ausgaben: sowohl nach unten als auch nach oben. Finanzielle Mittel stehen nur bei positiver Einnahmesituation bereit. Und diese Situation muss geplant und gesteuert werden. Proaktive Wirtschaftsförderung und strategische Ansiedlungspolitik werden die kommenden Jahre entscheidend für die Zukunft Magdeburgs sein. Und diese stehen im engen Zusammenhang mit einem gut funktionierenden ÖPNV und einer auskömmlich finanzierten MVB. Zukünftig werden weitaus mehr Mittel im Haushalt bereitstehen müssen, als beispielweise ca. 27 Mio. plus Ausgleich zum Ausbildungsverkehr plus Landesförderung ÖPNV in 2020. Jedoch muss man auch diese Mittel als Investition in die klimapolitischen Ziele betrachten. Es bleibt spannend und anspruchsvoll.
Frage 9: Die MVB verfügt derzeit nicht über ausreichend Fahrzeuge, um alle Streckenabschnitte nach den Vorgaben des Nahverkehrsplanes zu befahren. So fährt die Linie 6 seit September 2021 zwischen Messegelände und Herrenkrug nur noch im 20-Minuten-Takt. Zwischen Rothensee und Barleber See ist auch neun Jahre nach dem Hochwasser der 10- Minuten-Takt noch nicht wieder hergestellt. Die Straßenbahnlinie zu IKEA wurde für 4 Jahre stillgelegt. Voraussichtlich 2024 stehen neue Straßenbahnen zur Verfügung, jedoch sollen gleichzeitig die ersten Niederflurstraßenbahnen verschrottet werden. Was möchten Sie unternehmen, damit die MVB in Zukunft über eine ausreichende Fahrzeugreserve verfügt?
Sarah Biedermann: Auch hier gilt: Man kann nur ausgeben, was man hat. Und natürlich müssen betriebswirtschaftliche Kennzahlen stimmen. Eine gewisse Reserve sollte allerdings aufgrund von Ausfällen, Reparaturen etc. vorhanden sein, um fahrzeugbedingte Engpässe zu vermeiden. Hier müssen die Disponenten und Spezialisten der MVB ihre Expertise einbringen. Und danach muss zusammen analysiert werden: was geht.
Ein vollumfängliches Verkehrskonzept, welches alle Verkehrsarten beinhaltet und auch die sich verändernden mobilen Präferenzen berücksichtig, muss dringend her.
Sarah Biedermann
Frage 10: Fahrgäste beklagen häufig zu lange Fahrzeiten mit Bus und Bahn. Die Fahrer der MVB können oft den Fahrplan und Pausenzeiten nicht einhalten, da sie an vielen roten Ampeln anhalten müssen. Was werden Sie unternehmen, um die Fahrzeiten zu verkürzen, damit Fahrgäste schneller ans Ziel kommen? Wieviel Geld sollte für die Modernisierung und den Ausbau der Vorrangschaltungen aus Ihrer Sicht zur Verfügung stehen?
Sarah Biedermann: Meiner Meinung nach muss in Magdeburg der gesamte Verkehr auf den Prüfstand: fließender und stehender Verkehr, ÖPNV, Fahrradverkehr, Baustellen, Koordination etc. Hier fehlt bzw. stimmt die Abstimmung teilweise nicht. Ein vollumfängliches Verkehrskonzept, welches alle Verkehrsarten beinhaltet und auch die sich verändernden mobilen Präferenzen berücksichtig, muss dringend her.
Magdeburg ist auf dem Weg zur Boomtown. Dazu gehört auch ein hochmoderner ÖPNV mit Vorrang insbesondere im Innenstadtbereich. Andere Großstädte machen uns dies vor. Planung und Realisierung kosten natürlich Geld, sind am Ende aber eine Investition in die Zukunft unserer Stadt.
Frage 11: Welche Bedeutung hat nach Ihrer Meinung ein attraktives Tarifsystem im ÖPNV und wie sollte es aussehen? Unterstützen Sie die Einführung eines 365-Euro-Tickets?
Sarah Biedermann: Ein attraktives und bezahlbares Tarifsystem im ÖPNV ist entscheidend für die Akzeptanz bei den Bürger:Innen. Was nützen gute Verbindungen, welche sich keiner leisten kann bzw. welche unattraktiv gegenüber dem Individualverkehr sind. Strecken- oder Zonentarif, Kombinationen aus verschiedenen Tarifsystemen – hier muss genau geschaut werden: Akzeptanz beim Nutzer und Wirtschaftlichkeit müssen passen. Beim 365-Euro-Ticket bin ich sofort dabei – ein transparentes Angebot mit Win-Win Effekt.
Frage 12: In welchem Zeitraum möchten Sie das vom Stadtrat beschlossene kostenfreie Schüler*innenticket umsetzen?
Sarah Biedermann: So schnell wie möglich. Wie wollen wir Klimaziele umsetzen, wenn wir dies unseren jungen Menschen nicht vorleben und ÖPNV ermöglichen, fernab vom Geldbeutel der Eltern. Das kostenfreie Schüler:Innenticket/ Azubiticket muss kommen.
Wir brauchen endlich mindestens eine dauerhafte
Sarah Biedermann
ICE-Anbindung.
Frage 13: Wie bewerten Sie die aktuelle Eisenbahnanbindung von Magdeburg?
Sarah Biedermann: Ohne Frage: Wir brauchen endlich mindestens eine dauerhafte ICE-Anbindung. Landeshauptstadt und Intel-City sprechen für sich. Alles andere wären Alibi-Lösungen.
Frage 14: Derzeit sind mehrere neue Fernverkehrsverbindungen nach Magdeburg in Planung, viele davon leider erst in ferner Zukunft. Wie möchten Sie die Bahnanbindung von Magdeburg in den nächsten 4-5 Jahren verbessern und wie werden Sie zu einer schnelleren Verbesserung der Situation beitragen?
Sarah Biedermann: Hier muss es dringendst konstruktive Gespräche auf höchster Ebene mit der DB geben. Taktung und Qualität müssen stimmen. Alle benachbarten Landeshauptstädte müssen mindestens im Stundentakt erreichbar sein. Unsere Zukunft beginnt jetzt, da kann man solche Projekte nicht auf die lange Bank schieben. Zusammen mit dem Land wäre das im Rathaus unter meiner Führung Chefsache.