Simone Borris (Parteilos)

Simone Borris (59) – parteilos und seit 2021 Bürgermeisterin und Stellvertreterin des Oberbrügermeisters Magdeburg.

Simone Borris lebt seit 1970 in Magdeburg und ist seit 2014 Beigeordnete für Soziales, Jugend und Gesundheit. Im Oktober 2021 wurde sie vom Stadtrat als Bürgermeisterin und Stellvertreterin des Oberbürgermeisters Lutz Trümper gewählt. Simone Borris is Parteilos, verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

  • Verantwortliche für die aktuellen Impfkampagnen der Stadt
  • treibende Kraft der Kinder-, Jugend- und Seniorenarbeit in der Stadt.

Website: https://simoneborris.de/

Wir müssen die ÖPNV-Angebote viel stärker als bisher über die Stadtgrenzen hinaus denken und ausbauen. Der Stadtratsbeschluss zum Auf- und Ausbau eines S-Bahn-Netzes ist dafür richtungsweisend. Umlandgemeinden, Stadtrandgebiete und Magdeburger Innenstadt müssen mit zeitlich attraktiven ÖPNV-Angeboten verbunden sein.

Simone Borris

Frage 1: Benutzen Sie selbst regelmäßig die öffentlichen Verkehrsmittel? Wenn nicht: Was hält Sie (bisher) von der Mitfahrt ab?

Simone Borris: Ich fahre überwiegend mit dem Auto. Grund ist die Entfernung zur Arbeitsstelle – ich muss von Ostelbien nach Sudenburg, sowie die zahlreichen Termine im Laufe des Arbeitstages. Es gibt zum Arbeitsort keine direkte Anbindung, so dass mit Fußweg und Bahn/Umstieg zu viel Zeit verloren geht. Die umweltfreundlichere Alternative, im Tagesverlauf ein Teilauto zu nutzen, scheitert an der Maßgabe, dieses wieder an den Ursprungsstandort zu verbringen. Bei einem flexibleren System wäre das tatsächlich eine Alternative.

In der Freizeit nutze ich gerne die Straßenbahn oder – für die Fahrt zu den Heimspielen von SCM und 1. FCM – am liebsten das Fahrrad.

Frage 2: Wie sehen Sie das aktuelle Angebot im Städtischen Nahverkehr in Magdeburg? Was läuft gut und was nicht?

Simone Borris: Das aktuelle Angebot im Nahverkehr ist m.E. durch die Streckenerweiterungen grundsätzlich gut. Noch mehr Magdeburger*innen sind direkt an die Bahn angebunden worden durch die Streckennetzerweiterungen. 

Gleichzeitig waren die letzten zwei Jahre sowohl für die Fahrgäste als auch für die Mitarbeiter*innen der MVB von großen Herausforderungen geprägt. Einschränkungen durch Baustellen, Fahrzeugmangel, Verspätungen durch fehlenden Vorrang der Bahn an bestimmten Knotenpunkten und der Ausfall von Fahrten vor allem durch Corona sind die dringendsten Aspekte, die in Angriff zu nehmen sind.

Frage 3: Wie sollte der ÖPNV Ihrer Meinung nach in Zukunft in Magdeburg aussehen?

Simone Borris: Ökonomisch, ökologisch, an den Bedarfen der Nutzer*innen orientiert. Das heißt auch, so nah wie möglich an den Fahrgästen, mit dem entsprechenden Service (bspw. bei größeren Unternehmen/Kliniken/Pflegeeinrichtungen, die im Schichtsystem arbeiten, sollte sich die Verkehrszeit der Bahn an den notwendigen Nutzungszeiten durch die Schichtarbeit orientieren, ebenso bei Studieneinrichtungen und Schulen). Barrierefreiheit in der Bahn und an den Haltestellen. 

Wichtig ist aber nicht nur, was ich mich wünsche – sondern was die Magdeburger*innen sich wünschen. Daher würde ich als eine der ersten Maßnahmen eine Befragung sowohl der Nutzer*innen als auch der Nichtnutzer*innen vorschlagen, bei der gezielt ermittelt wird, was sich die Magdeburger*innen für die Zukunft des ÖPNV wünschen – auch um ihn zukünftig wieder stärker zu nutzen.

Frage 4: Im Vergleich zu anderen Städten ist Magdeburg eine sehr autoorientierte Stadt. Sollten die Angebote des ÖPNV mehr ins Bewusstsein der Magdeburger rücken und wenn ja, wie?

Simone Borris: Es ist richtig, dass Magdeburg beim Vergleich des Modal Split z.B. mit Potsdam, Leipzig oder Dresden einen deutlich höheren Anteil an Motorisiertem Individualverkehr (MIV) hat. Grundsätzlich sollten die verschiedenen Verkehrsträger jedoch nicht gegeneinander „ausgespielt“ werden. 

Natürlich sollten die Angebote des ÖPNV wieder stärker ins Bewusstsein rücken. Das gelingt – besser als mit jeder klassischen Werbekampagne – mit zeitlich und preislich attraktiven und zuverlässigen Angeboten, wie ich sie unter Punkt 6 benenne. Und mit zufriedenen Mitarbeiter*innen und Nutzer*innen, die als Multiplikatoren für die Angebote des ÖPNV werden.

Interessant wären die Gründe, warum jemand welches Verkehrsmittel nutzt und die ÖPNV-Angebote ggf. weniger attraktiv findet, als die Nutzung des eigenen PKW. Daher habe ich unter Punkt 3 bereits eine sogenannte Befragung auch der „Nichtnutzer*innen“ vorgeschlagen, die uns wichtige Impulse liefern würde, wo wir nachsteuern müssen.

Allerdings sollten die Verkehrsträger des Umweltverbundes aus meiner Sicht dabei immer gemeinsam betrachtet werden. So sind beispielsweise aufgrund steigender Kosten, durch Corona aber auch aus Gründen der persönlichen Fitness viele Menschen auf das Fahrrad umgestiegen. Diese möchte ich gar nicht zwingend für den ÖPNV begeistern, sondern durch Investitionen in die Verbesserung der Radwegeinfrastruktur auch weiterhin zum Radfahren motivieren.

Frage 5: In den letzten Jahren wurde in Magdeburg das Straßenbahnnetz erweitert. Welche weiteren Stadtteile sollten perspektivisch noch an den ÖPNV angebunden werden?

Simone Borris: Höchste Priorität hat aus meiner Sicht Ottersleben, allein schon wegen der Intel-Ansiedlung. Aber auch die bessere Anbindung der Stadtteile Lemsdorf, Cracau und Friedensweiler durch intelligente Lösungen, bedarfsbezogener Bestellung und Einsatz anderer Verkehrsmittel müssen angegangen werden. 

Gleichzeitig müssen wir die ÖPNV-Angebote viel stärker als bisher über die Stadtgrenzen hinaus denken und ausbauen. Der Stadtratsbeschluss zum Auf- und Ausbau eines S-Bahn-Netzes ist dafür richtungsweisend. Umlandgemeinden, Stadtrandgebiete und Magdeburger Innenstadt müssen mit zeitlich attraktiven ÖPNV-Angeboten verbunden sein.

zu Arbeit kommt, weil die Bahn ausgefallen ist oder man den Anschluss verpasst hat, zieht daraus seine Konsequenten. Daran müssen wir intensiv arbeiten.

Simone Borris

Frage 6: Die MVB hat in den Jahren bis 2019 massiv an Fahrgästen verloren. Was möchten Sie als zukünftige*r OB unternehmen, damit wieder mehr Fahrgäste den ÖPNV in Magdeburg nutzen? Welchen Modal Split streben Sie bis zum Ende der nächsten Amtszeit an?

Simone Borris: Die Nutzung von Bus und Bahn müssen preislich und zeitlich attraktiver als die Nutzung des eigenen Autos sein, wenn die Fahrgäste für die MVB zurück- oder neugewinnen wollen.

Verspätungen und lange Fahrzeiten lassen sich oftmals darauf zurückführen, dass die MVB insbesondere an Kreuzungsbereichen vom Motorisierten Individualverkehr ausgebremst wird. Kurzfristig ist daher zu prüfen, an welche Kreuzungs- und Einmündungsbereichen durch optimierte Steuerungen und bessere ÖPNV-Bevorrechtigungen sowie eine andere Aufteilung der Verkehrsräume beschleunigt werden kann.

Insgesamt sind Pünktlichkeit und zuverlässige Umstiege das wichtigste Erfordernis. Wer mehrmals zu spät zu Arbeit kommt, weil die Bahn ausgefallen ist oder man den Anschluss verpasst hat, zieht daraus seine Konsequenten. Daran müssen wir intensiv arbeiten.

Aber auch die Tarifstruktur ist stellenweise zu kompliziert und zu unflexibel. Attraktivere Pauschalangebote wären hier genauso denkbar wie die Verlängerung der Nutzungszeit des Einzeltickets von derzeit 60 auf 90 Minuten. Auch neue Tarifideen, wie beispielsweise ein Halbjahres-Winterticket für „Sommerradfahrer“, könnten neue Nutzer begeistern.

Überdachte Fahrradabstellanlagen bzw. Fahrradboxen an den Endhaltestellen sorgen dafür, dass es für Einpendler*innen aus Umland- und Stadtrandgebieten attraktiv wird, Fahrrad und ÖPNV als Kombination zu nutzen und das Auto stehen zu lassen. Hier muss dann auch die Taktung passen.

Und nicht zuletzt werden einige Menschen derzeit auch von der Nutzung des ÖPNV ausgeschlossen – durch mangelhafte Barrierefreiheit.

Als Oberbürgermeisterin wäre es meine wichtigste Aufgabe, die Beschlüsse des Stadtrates umzusetzen. Der Stadtrat hat im Dezember 2021 beschlossen, bis 2030 einen Modal Split mit den Anteilen Fußverkehr 20%, Radverkehr 25%, ÖPNV 25%, MIV 30% zu erreichen. Auch wenn die nächste Amtszeit bereits 2029 endet, ist es mein Ziel, das für 2030 angestrebte Szenario bis dahin erreicht zu haben.

Frage 7: Seit dem 01.01.2022 ist gesetzlich vorgeschrieben, dass alle Haltestellen im ÖPNV vollständig barrierefrei sein müssen. Dennoch sind in Magdeburg derzeit mehr als die Hälfte der Haltestellen bei Bus und Bahn nicht barrierefrei. Was werden sie unternehmen, damit eine schnelle Barrierefreiheit im ÖPNV hergestellt wird? Wieviel Haltestellen sollten aus ihrer Sicht pro Jahr barrierefrei umgebaut werden?

Simone Borris: Möglichst schnell vollständige Barrierefreiheit herzustellen klingt sehr gut. Würde in der Praxis aber bedeuten, dass der Verkehr – sowohl ÖPNV als auch MIV – in Magdeburg für mehrere Jahre durch noch viel mehr Baustellen als jetzt praktisch zum Erliegen kommen würde. Eine kurzfristige, vollständige Barrierefreiheit ist aber auch weder finanziell noch durch die Baufirmen umsetzbar, die dafür gar nicht ausreichend vorhanden sind.

Hier sind in der Vergangenheit leider Fehler gemacht wurden, die sich jetzt nicht innerhalb von wenigen Jahren ausgleichen lassen. Hinter dem Ziel der Barrierefreiheit bis 2022 bleiben daher leider praktisch alle deutschen Städte weit zurück. 

Dennoch wurden in Magdeburg insbesondere in den letzten Monaten viele Weichen in die richtige Richtung gestellt. Der ursprüngliche Zeitplan der Bauverwaltung, der Barrierefreiheit erst bis 2089 vorsah, wurde vom Stadtrat durch eine „komprimierte“ Prioritätenliste ersetzt, die bereits bis 2048 (Straßenbahn) bzw. 2050 (Bus) Barrierefreiheit vorsieht. 

Insgesamt sind derzeit 117 Straßenbahn- und 400 Bushaltestellen nicht barrierefrei. Pro Jahr müssen wir also mindestens 20 Haltestellen barrierefrei umbauen. 

Das alleine reicht aus meiner Sicht allerdings nicht aus. Daher müssen wir zusätzlich kostengünstige, effektive Zwischenlösungen finden, die dem vollständigen Ausbau vorangehen könnten. Dazu müssen sich Verkehrsplaner und MVB zwingend auch mit den Betroffenen zusammensetzen und nach ihren dringendsten Bedürfnissen fragen und diese erstnehmen.

Frage 8: In den letzten Jahren musste die MVB massive Angebotseinschränkungen vornehmen: die Linie 8 wurde nahezu eingestellt, die Linie 3 verkehrt nur noch im 20-Minuten-Takt und nicht am Wochenende, auf den Buslinien wurde der 10- Minuten-Takt abgeschafft. Wie möchten Sie sicherstellen, dass die MVB in Zukunft ausreichend finanziert wird? Welchen Betrag sollte die MVB als jährlichen Zuschuss von der Landeshauptstadt Magdeburg erhalten, um einen modernen und zukunftsfähigen ÖPNV anzubieten?

Simone Borris: Die bisher überwiegende Nutzerfinanzierung verliert angesichts der Verkehrswende an Bedeutung. Allein durch die Kommune kann dies jedoch nicht ausgeglichen werden. 

2021 betrug der sogenannte „Aufwandsdeckungsfehlbetrag“, der nicht aus Fahrgasterlösen gedeckt werden konnte, knapp 39 Millionen Euro. Für den Haushalt der Stadt Magdeburg ist die Belastungsgrenze damit erreicht. 

Deshalb müssen sich der Bund aber stärker als bisher auch das Land mit an der Finanzierung beteiligen und durch gezielte Förderungen auch vor dem Hintergrund der energiepolitischen und klimarelevanten notwendigen Stärkung des ÖPNV für einen zukunftsfähigen ÖPNV sorgen. Es ist zudem zu schauen, wie sich das 9-Euro-Ticket als Sonderprogramm auf das Nutzungsverhalten auswirkt. Günstige Pauschalangebote können allerdings auch dafür sorgen, dass zahlende Nutzer zurück- oder neugewonnen werden können und damit auch einen wichtigen Beitrag zu Finanzierung leisten. 

Frage 9: Die MVB verfügt derzeit nicht über ausreichend Fahrzeuge, um alle Streckenabschnitte nach den Vorgaben des Nahverkehrsplanes zu befahren. So fährt die Linie 6 seit September 2021 zwischen Messegelände und Herrenkrug nur noch im 20-Minuten-Takt. Zwischen Rothensee und Barleber See ist auch neun Jahre nach dem Hochwasser der 10- Minuten-Takt noch nicht wieder hergestellt. Die Straßenbahnlinie zu IKEA wurde für 4 Jahre stillgelegt. Voraussichtlich 2024 stehen neue Straßenbahnen zur Verfügung, jedoch sollen gleichzeitig die ersten Niederflurstraßenbahnen verschrottet werden. Was möchten Sie unternehmen, damit die MVB in Zukunft über eine ausreichende Fahrzeugreserve verfügt?

Simone Borris: Die Fahrzeugknappheit bei der MVB wurde insbesondere durch die Baustellensituation verstärkt. Lange Umleitungen und Alternativstrecken bedeuten längere Fahrzeiten und mehr Streckenkilometer. Hier muss untersucht werden, ob sich die Lage durch Fertigstellung einiger Baustellen perspektivisch wieder entspannt. Und genau zu ermitteln, ob genügend Fahrzeuge vorhanden oder der Bestand auch zukünftig zu knapp ist. Busse können dazugemietet werden, wie es auch bereits gemacht wird. Bei Straßenbahnen ist die Situation komplizierter. Daher muss hier auch geprüft werden, ob die ersten Niederflurbahnen, die bereits 2024 außer Betrieb gehen sollten, noch als Reserve behalten bei Bedarf im Einsatz bleiben können. 

Frage 10: Fahrgäste beklagen häufig zu lange Fahrzeiten mit Bus und Bahn. Die Fahrer der MVB können oft den Fahrplan und Pausenzeiten nicht einhalten, da sie an vielen roten Ampeln anhalten müssen. Was werden Sie unternehmen, um die Fahrzeiten zu verkürzen, damit Fahrgäste schneller ans Ziel kommen? Wieviel Geld sollte für die Modernisierung und den Ausbau der Vorrangschaltungen aus Ihrer Sicht zur Verfügung stehen?

Simone Borris: Optimierte Ampelsteuerungen, Vorrangschaltungen und andere Bevorrechtigungen aber auch eine neue Aufteilung der Verkehrsräume an Kreuzungs- und Einmündungsbereichen 

Die MVB wurde dazu bereits durch Beschluss des Bauausschusses und des Stadtrates beauftragt, eine Prioritätenliste vorzulegen, wo es die größten Probleme gibt. Im gerade beschlossenen Verkehrsentwicklungsplan VEP 2030+ wurde dieser Herausforderung die höchste Priorität zugewiesen. Sowie diese Prioritätenliste, untersetzt durch eine Kostenschätzung vorliegt, könnten die Mittel erstmals im Haushalt 2023 eingeplant werden. Die konkret notwendigen Summen müssen von den Fachleuten aus MVB und Verkehrsplanung vorgelegt werden. Vorher ist eine Aussage, wieviel Geld zur Verfügung stehen sollte, nicht seriös möglich.

Aber auch ein 365-Euro-Ticket wird sich jedoch nicht jede*r leisten können. Daher brauchen wir auch ein bezahlbares Sozialticket, welches nicht mehr als 20 bis 25 Euro im Monat kosten sollte. Und auch das kostenfreie Schüler*innenticket darf nicht vergessen werden. 

Simone Borris

Frage 11: Welche Bedeutung hat nach Ihrer Meinung ein attraktives Tarifsystem im ÖPNV und wie sollte es aussehen? Unterstützen Sie die Einführung eines 365-Euro-Tickets?

Simone Borris: Ein attraktives, transparentes und verständliches Tarifsystem halte ich für geeignet und wichtig, um mehr Menschen in Bus und Bahn zu bringen. Das 365-Euro-Ticket ist eine Möglichkeit, die sich auch in meinem Programm findet. Allerdings wird dies nur im Zusammenhang mit geeigneten Maßnahmen zur Parkraumbewirtschaftung oder einer geeigneten Finanzierung durch Bund oder Land umsetzbar sein.

Klare pauschale Tarife sind aus meiner Sicht grundsätzlich der richtige Weg. Aber auch ein 365-Euro-Ticket wird sich jedoch nicht jede*r leisten können. Daher brauchen wir auch ein bezahlbares Sozialticket, welches nicht mehr als 20 bis 25 Euro im Monat kosten sollte. Und auch das kostenfreie Schüler*innenticket darf nicht vergessen werden. 

Insgesamt sollte gemeinsam mit der MVB stärker versucht werden, anhand der Bedarfe der Menschen zu schauen, welche praktikablen Modelle es gäbe.

Frage 12: In welchem Zeitraum möchten Sie das vom Stadtrat beschlossene kostenfreie Schüler*innenticket umsetzen?

Simone Borris: Das kostenfreie Schüler*innenticket – unabhängig von der Entfernung zwischen Wohnort und Schule – halte ich weiterhin für umsetzbar und wichtig. 

Auch wenn eine Umsetzung derzeit vom Landesverwaltungsamt nicht genehmigt wird, sollte als Zwischenstufe z.B. ein Schüler*innenticket für einen geringen Eigenanteil – z.B. von 10,- Euro im Monat – ernsthaft geprüft werden. Mit diesem Ansatz wäre aus meiner Sicht eine zeitnahe Einführung denkbar und wir könnten den Anspruch an die Zahlung von Ausgleichszahlungen nach Beleg der Nutzer*innen sauber abwickeln. Weiterhin könnte eine Kopplung ggf. mit der Otto-City-Card in Abstimmung mit der MVB zur Entstigmatisierung beitragen. Bei vollständiger Nutzung könnte damit auch der Anteil aus diesem Bereich noch gegengerechnet werden. Insgesamt ließe sich mit diesem Modell die Belastung im Haushalt um mehrere Millionen reduziere

Frage 13: Wie bewerten Sie die aktuelle Eisenbahnanbindung von Magdeburg?

Simone Borris: Die aktuelle Eisenbahnanbindung bewerte ich insgesamt als ausbaubar! Im Personenfernverkehr ringen wir ja nun seit vielen Jahren mit der Deutschen Bahn um ICE- und mehr IC-Anbindungen. Im Regionalverkehr sind wir theoretisch so schlecht nicht aufgestellt, allerdings mussten und müssen Kunden und Mitarbeiter*innen durch die Situation bei Abellio einigen an Unsicherheiten ertragen. Im Bereich der S-Bahn-Verbindungen befindet sich Magdeburg in der unrühmlichen Situation als einziges deutsches S-Bahn-System nur genau eine Linie, die S1, zu haben und damit auf dem letzten Platz aller S-Bahn-Netze in Deutschland zu sein.

Aber: Spätestens durch die Ansiedlung von Intel ist jetzt der perfekte Zeitpunkt, die deutlich zu verändern und zu verbessern.

Frage 14: Derzeit sind mehrere neue Fernverkehrsverbindungen nach Magdeburg in Planung, viele davon leider erst in ferner Zukunft. Wie möchten Sie die Bahnanbindung von Magdeburg in den nächsten 4-5 Jahren verbessern und wie werden Sie zu einer schnelleren Verbesserung der Situation beitragen?

Simone Borris: Seit 2021 gibt es mit der Arbeitsgruppe „Fernbahnanbindung der Landeshauptstadt Magdeburg“ eine breitaufgestellte Arbeitsgruppe, die sich genau dieses Themas angenommen hat. Hier arbeiten sowohl Verwaltungsmitarbeiter*innen aus Bau- und Wirtschaftsdezernat, der Vorsitzende des Bauausschusses, die Magdeburger Hochschulen, Vertreter der Wirtschaftsverbände und Kammern, Vertreter von Pro Bahn und Pro ICE und weitere Akteure zusammen, um schnelle und merkliche Verbesserungen zu erreichen. 

Es ist und bleibt unsere Aufgabe, gegenüber der Deutschen Bahn weiterhin freundlich aber bestimmt Druck und Lobbyarbeit für Magdeburg zu machen. Diese Aufgabe wäre für mich ganz klar „Chefsache“.

Magdeburg braucht sowohl auf der Nord-Süd-Achse als auch auf der Ost-West-Achse Fernbahnanschlüsse, damit wir mindestens stündlich ohne Umsteigen aus Richtung Köln/Hannover, Hamburg, Berlin, Leipzig/Dresden), Halle/Erfurt/München erreichbar sind. Auch der Ausbau zu Schnellfahrstrecken und die Einbeziehung der Landeshauptstadt Magdeburg in das ICE-Netz bleibt ein wichtiges Ziel.

Diese Ziele sind jetzt in greifbare Nähe gerückt. Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff hat im Zuge der Ansiedlung von Intel gegenüber der Deutschen Bahn eine bessere ICE-Anbindung der Landeshauptstadt gefordert. Ich bin überzeugt, dass die merkliche Verbesserung der Anbindung jetzt endlich realistisch ist.